Wir leben in einer konstruierten Welt: Eine systemisch-integrale Perspektive

Befasst man sich mit systemisch-integralen Denkweisen, so macht es oft den Anschein, dass unsere moderne Welt auf Konstruktionen basiert. Es scheint so, als ob wir in einer konstruierten Welt leben, wenn wir auf die sozialen Normen unserer Gesellschaft und auf viele globale Entwicklungen blicken, die unser Leben lenken. Im Folgenden werden wir mit einer systemisch-integralen Sichtweise betrachten, wie diese Konstruktionen unser Verständnis von Realität und Identität sowie die Kreation unseres Lebensraums und unseres Wissens formen.

Die Konstruktion von Realität:

Es sind vor allem die sozialen Konstruktionen, von der unsere Wahrnehmung der Realität abhängt. So formen soziale Normen und kulturell gebildete Überzeugungen unsere Sicht auf die Welt. Dadurch nehmen wir die Welt, uns selbst und auch andere wie durch einen Filter hindurch wahr. Ein systemisch-integrales Verständnis erkennt an, dass sich diese Konstruktionen abhängig von verschiedenen, auch historischen, Kontexten gebildet haben. So blicken wir wie durch eine gefärbte Brille – unser System – auf die Realität und verarbeiten dadurch die Wirklichkeit, was wiederum zu unserer Wahrnehmung der Realität führt. Unsere Identität, geformt aus unseren vergangenen Lebenserfahrungen, formt maßgeblich die Brille, durch die wir auf die Welt schauen und unsere Wahrnehmungen erneut interpretieren.

Die Konstruktion von Identität:

Unsere Identität wird durch die konstruierte Welt ebenfalls geformt. So beinhalten Geschlecht, Ethnizität und sozialer Status weitere Konstruktionen, die von Geburt an auf unsere Identität abfärben. Dazu zählt beispielsweise auch das konstruierte Gespann von unseren Vor- und Nachnamen, die uns als maßgeblicher Bestandteil unserer Identität durch das Leben begleiten. Doch Identität ist mehr als das von vornherein Festgelegte und bildet sich im Laufe unseres Lebens immer weiter heraus. Aus einem systemisch-integralen Verständnis heraus erkennen wir, dass Identität nicht gleichbleibend ist, sondern sich in sozialen Kontexten und mit der Zeit entwickelt. So ist es ermutigend, unsere Identität als etwas sich Ent-Wickelndes zu betrachten, das sich in Wechselwirkung mit unserer Umwelt kontinuierlich verändert.

Die Konstruktion unseres Lebensraums:

Unser Lebensraum ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil einer Realität, die wir für uns als Menschheit passend konstruiert haben. So fing die Menschheit an, die Ressourcen der Natur für sich zu nutzen und ganze Flächen landwirtschaftlich umzufunktionieren. Auch unsere Städte und Dörfer sind als Architektur Teil eines konstruierten Systems. Ein systemisch-integrales Verständnis weist uns in die Richtung, die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Natur zu reflektieren und nachhaltige Lösungen zu kreieren.

Die Konstruktion unseres Wissens:

Weiterhin können auch unser heutiger Wissensstand und unsere Erkenntnisse aus der Wissenschaft als Konstruktionen begriffen werden. So entstammen philosophische und wissenschaftliche Theorien aus menschlichen Konstruktionen, um Wirklichkeit erfahrbar und erfassbar zu machen. Ein systemisch-integrales Verständnis erkennt, dass Wissenschaft und das daraus resultierende Wissen nicht begrenzt und objektiv ist, sondern von verschiedenen Paradigmen und Perspektiven abhängig entwickelt wurde. Es bestärkt uns, unser Wissen unaufhörlich zu hinterfragen und auszuweiten, so wie es die Wissenschaftstheorie selbst wiederum lehrt. Hierzu kann ein integrales Verständnis der Wissenschaft einen entscheidenden Beitrag für die Zukunftsbildung des Wissens aus verschiedenen Fachdisziplinen leisten.

Was bedeutet es nun, in einer konstruierten Welt zu leben? Wir erkennen, wie sich die Aspekte in unserem Leben aufgrund unserer Wirklichkeitskonstruktion herausgebildet haben. Und ohne Konstruktionen scheinen die Welt bisher und unsere Informationsverarbeitung noch nicht zu funktionieren. Ein systemisch-integrales Verständnis nimmt die Komplexität dieser Vielfalt an Konstruktionen an und schafft Bewusstheit über unser Denken und Handeln. Es ermutigt uns, selbst-bewusste Entscheidungen zu treffen und nachhaltige Lösungen zu finden, um unser Wirken in der Welt nachhaltiger und bewusster zu gestalten.